Kontakt

RenateLehnort@gmail.com

www.renatelehnort.com

Facebook >>

 

Renate Lehnort 

 

 

Wohin der Wind uns weht

 

Die dunkle Seite von Eden

 

Band 3: 1849-1851

Familiensaga

 

 

BLICK INS BUCH:

 

„Du meine Güte! Sie ist ihrem Ruf wieder gerecht geworden“, murmelte John, als er mit Pat den großen Salon betrat. Blumenarrangements gemischt mit den Parfums der Damen verbreiteten einen Duft, der fast des Guten zu viel war. Hausmädchen und Diener flitzten mit Getränken hin und her und versorgten gewissenhaft die Gäste. Der große Kamin, in dem das Holz prasselte, und die zahlreichen Kerzen verströmten eine unerträgliche Wärme.
Damen mit fantasievollen Frisuren in bestickten prächtigen Kleidern aus Seide und Samt, – deren weite Röcke bei jeder Bewegung wogten –, standen in Gruppen beisammen und schienen sich blendend zu unterhalten. Kichern und Lachen war zu hören. Die Männer mit überwiegend schwarzgrauen Hosen, schwarzen Gehröcken, blütenweißen Hemden und seidigen Krawatten standen ebenso in Gruppen beisammen. Fast jeder hielt ein Glas Champagner in der Hand, manche stattdessen eine Zigarre. Ihre Mienen waren ernst, sie schienen Gespräche von äußerster Wichtigkeit zu führen.
„Hört sich an wie in einem Hühnerstall“, sagte Pat leise mit einem Blick auf die Damen, deren kostbares Geschmeide im Licht der Kerzen funkelte.
Charlotte schoss auf Pat und John zu. „Da seid ihr ja, meine Lieben. Ich muss euch unbedingt mit einigen Freunden von William und mir bekanntmachen“. Namen über Namen rauschten an Pats und Johns Ohren vorbei. Charlotte schleppte sie erbarmungslos von einem zum anderen und zwitscherte: „Ihr kennt doch John Sanders, unseren lieben Freund? Zu unserer großen Freude hat er Pat O’Brian mitgebracht, der im letzten Herbst in unser schönes Land gezogen ist und eine riesige ...“, sie zog das Wort in die Länge „... Farm in der Nähe von Lafayette besitzt. Er wird hier gemeinsam mit meinem lieben Mann eine Bierbrauerei aufmachen. Ist das nicht großartig?“
Das Abendessen wurde im großen Speisesalon eingenommen. Auf schneeweißen Tischtüchern aus Damast stand feines Porzellan, Silberbesteck und Kristallgläser schimmerten im Kerzenschein. Auserlesene Speisen, die köstlich dufteten, und edle Weine wurden serviert. John saß neben einem schüchternen jungen Mädchen und dessen Eltern. Seine Blicke, die er ab und zu Pat zuwarf, drückten sein Unwohlsein und seine Hilflosigkeit aus. Pat erging es nicht viel besser. Er saß neben dem Ehepaar Turner. William hatte ihm, als sie zu Tisch gingen, mit einem Augenzwinkern zugeflüstert, er sitze neben der Dame, von der er ihm erzählt hatte, dass sie einem Techtelmechtel nicht abgeneigt sei. Sie jedoch widmete sich fast ausschließlich ihrem alten Ehemann, der scheinbar schlecht hörte, da sie nahe an seinem Ohr sprach. Sie richtete nur ab und zu ein Wort an Pat – er langweilte sich fürchterlich. Er bekämpfte die Langeweile, indem er Mrs. Turner, die ihr Mann mit Abigail ansprach, unauffällig beobachtete. Warum heiratet eine junge Frau bloß so einen alten Sack, fragte er sich. Steckt Geld dahinter? Oder haben ihre Eltern sie gezwungen ihn aus welchem Grund auch immer zu heiraten? Sie ist sicher nicht älter als vierzig. Falls das stimmt, dass sie einer Liebschaft nicht abgeneigt ist, kann man ihr daraus keinen Vorwurf machen. Sie, das blühende Leben, und er dem Tod nahe. Einen Mangel an Verehrern hat sie wahrscheinlich nicht. Ihre Figur kann ich schwer einschätzen, das Kleid mit dem engen Korsett verhüllt alles. Ihr Busen quillt hervor, das sagt nichts bei der engen Schnürung. Was sie hat, ist eine schöne Haut, wie weißes Porzellan so fein, und ihre dunkelbraunen Augen erinnern mich ein bisschen an Britta. Ihr Gesicht … nicht wahnsinnig hübsch, aber auch nicht hässlich. Was im Bett egal ist, Hauptsache sie hat Temperament. Das scheint sie zu haben, so wie sie sich vorher mit ein paar Damen unterhalten hat. Da sie aber kaum mit mir redet und ihr Mann dabei ist, kann ich eine Annäherung vergessen. Er wandte seinen Blick ab und sprach mit seiner anderen Sitznachbarin, einer alten Frau, die offenbar allein gekommen und dankbar für seine Ansprache war. Sie erzählte ihm von ihren Töchtern, wie sie hierhergekommen war und, und … Sie redete und redete. Es schien ihr zu genügen, dass Pat ab und zu mit einem Na so etwas, einem Aha, einem Hm oder mit einem Nicken antwortete.
Abigail Turner hatte sehr wohl bemerkt, dass Pat sie betrachtete. Ein fescher Mann, dachte sie. Er strahlt männliche Stärke aus und hat eine gute Figur. Seine Augen sind faszinierend. Ein so tiefes Blau bei einem Mann habe ich noch nie gesehen. Schwarze lockige Haare und blaue Augen sieht man selten. Schöne Hände hat er, man sieht, dass er zupacken kann. Charlotte hat mir zugeflüstert, dass er Ire ist, und die Iren sollen gute Liebhaber sein. Das hat mir zumindest Susan erzählt. Sie muss es wissen, sie kommt auch aus Irland und ist mit einem Iren verheiratet. Jetzt sieht er auf meinen Busen … Hier habe ich keine Chance, ihm eine eventuelle Bereitschaft zu zeigen. Ich werde ihn zum Tee einladen und dann wird man sehen, vielleicht entwickelt sich etwas. „Entschuldigen Sie Mr. O’Brian, dass ich ihr Gespräch mit Mrs. Harper störe“, sagte sie und handelte sich einen bösen Blick von Mrs. Harper ein. „Charlotte hat mir erzählt, dass Sie aus Irland stammen und mit dem Schiff nach New York gekommen sind. Danach nach St. Louis gereist sind und von Independence mit einem Trail, den John Sander geführt hat, hierhergekommen sind. Sie müssen meinem Mann und mir unbedingt mehr davon erzählen. Wir würden uns freuen, wenn Sie morgen um 16 Uhr zu uns zum Tee kommen würden. Wir wohnen Mainstreet 14. Haben Sie Zeit?“
„Ihre Einladung ehrt mich, Mrs. Turner, ich nehme sie gerne an“, erwiderte Pat und grinste in sich hinein. Wenn das jetzt keine Aufforderung zum Tanz ist, heiße ich nicht Pat O’Brian.
„Das freut mich“, sagte Abigail und damit war die Konversation erledigt, sie wandte sich wieder ihrem Mann zu, Pat der Nachspeise.
Als die Tafel aufgehoben wurde, hörte Pat, wie sie zu Charlotte sagte: „Das Dinner war vorzüglich, wie immer Charlotte. Du bist mir doch nicht böse, wenn Edward und ich jetzt gehen. Edward ist schon sehr müde, er braucht seinen Schlaf.“
„Das verstehe ich gut, meine Liebe. Kommt gut nach Hause, wir sehen uns auf Elisabeths Geburtstagsfest.“
Die alte Dame heftete sich an Pats Fersen, er flüchtete mit einer Entschuldigung in den Garten hinaus, den Fackeln erhellten, und traf dort auf John. Er saß auf einer der Bänke und rauchte seine Pfeife. „Bist du diesem Irrsinn da drin auch entflohen?“, fragte John ihn mit einem breiten Lächeln.
„Wie du siehst“, erwiderte Pat und erwiderte sein Lächeln. „Mich jetzt noch mit der High Society von Oregon City zu unterhalten, fehlt mir die Kraft.

Druckversion | Sitemap
© Copyright Renate Lehnort 2017 Die hier veröffentlichten Texte einschließlich der Leseproben sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten.