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Renate Lehnort 

 

 

Wie das Leben so spielt

 

Wohin der Wind uns weht

 

Band 4: 1861/1862

Familiensaga

 

 

BLICK INS BUCH:

 

„William hat die irre Idee, im Osten, genauer gesagt in New York City, eine moderne Großbrauerei ins Leben rufen zu wollen.“
Finn lächelte leicht. „Du sagst das in einem Tonfall, als würdest du das Ende der Welt verkünden. Das klingt doch gut! Was ist dran falsch?“
„Nichts, wenn man jemanden in New York hätte, der etwas vom Bau einer Brauerei versteht. Hat man aber nicht. Daher will er selbst mit seiner Frau, den Kindern und deren Gouvernante nach New York reisen und den Bau und danach den Betrieb überwachen.“
„Kann dir egal sein, du brauchst ihn hier nicht.“
„Er will, dass ich mitkomme“, sagte Pat trocken.
„Und du willst nicht mitkommen, oder liege ich da falsch?“
„Jein. Einerseits klingt das Projekt interessant, andererseits …“ Er rang nach Worten und sagte schließlich: „Aus meiner Sicht ist eine Expansion nicht notwendig und gerade jetzt finde ich sie riskant. Ein Krieg zwischen den Süd- und Nordstaaten liegt in der Luft und wo eventuell gekämpft wird, weiß man nicht. Werden die Männer, wenn die Brauerei fertig gebaut ist, zu den Waffen gerufen, stehen wir ohne Personal da. Abgesehen davon wird die einfache Bevölkerung, und sie sind unsere Abnehmer, ärmer und wer kauft dann das Bier? Du weißt, welche Armut in New York herrscht. Wir verkaufen gut in Oregon County und Kalifornien und verdienen mehr, als wir brauchen, wozu also Risiken eingehen?“
Finns rieb nachdenklich sein Kinn, sein Blick war leer. „Ich glaube nicht an einen Krieg“, sagte er nach einer längeren Pause. „Bruder gegen Bruder, unvorstellbar. Es muss, es wird sich eine politische Lösung finden.“
„Dein Wort in Gottes Ohr. Sollte es aber doch zu einem Krieg kommen, würde er den Verkauf des Biers hier nicht beeinflussen und in Kalifornien auch nicht. Sollte es keinen Krieg geben, was wir nicht wissen, dann sähe die Sache anders aus, aber ich …“
„Wie lange würdest du weg sein?“, fiel ihm Finn ins Wort.
„Wahrscheinlich Jahre. Bis ein geeignetes Grundstück gefunden wird, bis eine Fabrik steht, bis der Betrieb läuft, das dauert. Ich habe den Eindruck, dass William Oregon City zu eng wird. Gut, es tut sich nicht mehr so viel, seit Salem die Hauptstadt geworden ist, aber gleich nach New York zu ziehen, finde ich übertrieben.“
Finns Augen weiteten sich. „Er will für immer nach New York City ziehen?“
„Den Eindruck hatte ich, ja. Er sagte, wenn es ihm und seiner Familie in New York gefällt, dann bliebe er. Ich weiß jetzt schon, dass ich in New York nicht leben will. Es wird sich zwar seit unserer Ankunft vor dreizehn Jahren einiges verändert haben, trotzdem. Oregon City ist mir groß genug, die Menschenmassen in New York – grauenvoll.“
„Dann soll William das tun, wozu braucht er dich?“
„William ist ein ausgezeichneter Verkäufer und bei finanziellen Dingen unschlagbar, aber vom Bierbrauen versteht er nichts. Er erwartet, dass ich den Betrieb aufbaue und darauf achte, dass das Gebäude den Ansprüchen des Bierbrauens erfüllt. Was soll ich tun, Finn? Ich fühle mich hier wohl, ich möchte dich, Ciara und John nicht missen. Andererseits hat mir William in der Vergangenheit so viel geholfen, dass ich ihn nicht vor den Kopf stoßen will. Ohne ihn hätte ich das Bierbrauen vergessen können. Was soll ich tun?“ Er stützte die Arme auf den Tisch, legte die Hände unter das Kinn und sah Finn erwartungsvoll an.
Finn senkte den Kopf, spielte mit dem Teelöffel und schwieg. „Ich weiß es nicht“, sagte er nach mehr als einer Minute leise. „Ich verstehe dich und ich verstehe William. Pat, bei dieser Entscheidung kann ich dir nicht helfen, du musst sie allein treffen. Ich persönlich möchte dich nicht missen, wir sind seit unserer Kindheit keinen Tag getrennt gewesen. Es wäre aber ein großes Unrecht von mir, wenn ich versuchen würde, dich wegen meiner persönlichen Gefühle zu beeinflussen.“
Pats Brust dehnte sich, er stieß einen lauten Seufzer aus. „Falls ich mich dazu entschließe, William zu begleiten, dann würde ich auf keinen Fall für immer in New York bleiben. Das ist so sicher wie das Amen im Gebet.“
„Pat, sei ehrlich. Es reizt dich, etwas Neues aufzubauen und dem trostlosen Alltag, den du dir selbst seit Seans Entführung auferlegt hast, zu entfliehen. Habe ich recht?“ Finn beugte sich vor und sah Pat direkt in die Augen.
Pat erwiderte offen seinen Blick. „Sagen wir so, du hast nicht unrecht. Wäre ich hier allein, würde ich nicht zögern, William zu begleiten, aber so?“
Finn setzte ein schwaches Lächeln auf. „Wir rennen dir nicht davon und die Post funktioniert sehr gut. Ein Brief braucht schätzungsweise höchstens eine Woche von New York bis hierher. Du könntest dir die Wartezeit, bis der Bau fertig ist, damit versüßen, dass du nach Dublin schipperst und Liam, Nela und Britta besuchst. Von New York aus ist das ein Katzensprung.“
„Gute Idee“, sagte Pat und trommelte mit den Fingerspitzen einen Marsch auf dem Tisch. Dann hielt er plötzlich inne, lächelte und murmelte: „Das wäre tatsächlich eine Gelegenheit. Nach Dublin will ich schon seit Jahren.“
„Siehst du!“
Pat lächelte. „Irre ich mich oder versucht du, mich gerade dazu zu überreden, Williams Vorschlag anzunehmen?“
Finn stieß ein gekünsteltes Lachen aus. „Wie käme ich dazu? Ich habe dich nur auf Möglichkeiten aufmerksam gemacht. Du sollst dich nicht wegen einer Trennung von Ciara, John und mir dagegen entscheiden, das wäre falsch.“

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