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Renate Lehnort

Die Falle schnappt zu

 

Roman

 


 

BLICK INS BUCH:

 

„Theo wach auf, dein Handy läutet“, rief Nina und rüttelte ihn an der Schulter. Wie immer hatte er es auf das Nachtkästchen gelegt, wie immer hatte er den Klingelton über Nacht auf leise geschaltet. Verschlafen drückte er auf den grünen Knopf und wurde schlagartig hellwach. „Hilfe!“, hörte er eine weibliche Stimme in Todesangst schreien. „Er will mich umbringen.“ Dann nur noch laute Schreie und Gepolter. Er schnellte aus dem Bett, fuhr in seine Hosen und schlüpfte in sein Hemd.

Nina kommentierte das Geschehen mit einem erstaunten „Was ist los? Es ist fünf Uhr früh!“

„Das war Binchen … sie braucht Hilfe … dieser verdammte Krüger, ich hab es ihr gesagt!“, hörte Nina ihn noch sagen, bevor er verschwand. Sekunden später fiel die Eingangstür mit einem lauten Knall zu.

Im Hinausgehen tippte Theo die private Nummer von Major Horst Rabe, Ermittlungsbereichsleiter des Landeskriminalamtes Wien für Leib/Leben in sein Handy. Eine verschlafene Stimme meldete sich. „Horst hier Theo“, tönte er. „Gefahr in Verzug. Bitte schick sofort einen Streifenwagen in die Villa von Lars Krüger, Krapfenwaldgasse 74 in Döbling, Krüger hat womöglich seine Ehefrau ermordet. Ich habe soeben einen Hilferuf von ihr auf meinem Handy erhalten. Wenn keiner aufmacht, sollen die Kollegen das verdammte Schloss aufbrechen. Ich bin auf dem Weg.“

„Okay“, antwortete Rabe, diesmal mit munterer Stimme. „Ich werde persönlich nach dem Rechten sehen und die Tatortgruppe informieren.“

Theo düste durch das dämmrige Wien, als er vor Lars Krügers Haus stehen blieb, waren Polizei und Kriminalpolizei bereits vor Ort. Sein Freund Horst, ein mittelgroßer, bulliger Mann mit kurzgeschorenem Haar, kam ihm bereits im weißen Overall entgegen. „Und?“, fragte er und bereitete sich auf das Schlimmste vor.

„Nichts.“

„Was heißt nichts?“

„Ich bin gleichzeitig mit der Streife hier angekommen. Auf unser Läuten öffnete niemand, wir drangen also gewaltsam ein. Es war keiner da, weder Krüger noch seine Frau.“

„Die Spurensicherung soll anrücken und das verfluchte Haus auseinandernehmen. Falls Krüger nach Hause kommt, nehmt ihn wegen Mordverdacht an seiner Ehefrau hopp und verständigt mich.“

„Wird gemacht Theo. Ich werde alles veranlassen.“

„Mach das“, erwiderte Theo, während sein Herz unruhig schlug.

„Willst du in das Haus hineingehen?“

„Was für eine Frage – natürlich will ich das!“

Horst ging zum Auto und warf ihm einen weißen Overall, Handschuhe und einen Schutz für die Schuhe zu. „Wär doch blöd, wenn der Staatsanwalt Spuren zertrampelt“, grinste er.

„Das wäre es“, sagte Theo, ohne sein Grinsen zu erwidern, schlüpfte in die Schutzkleidung und ging ins Haus. Der muss ja verdienen, dachte er, als er langsam von Zimmer zu Zimmer ging. Penibel muss er auch sein … nirgends ein Staubkörnchen, nirgends eine Unordnung. Das Haus wirkt auf mich wie ein Musterhaus für Reiche.

„Blitzsauber, nicht?“, sagte Horst hinter ihm. „Das stimmt mich misstrauisch.“

„Mich auch. Du schickst doch jemand zu den Nachbarn? Damit wir wissen, ob Krüger und seine Ehefrau in letzter Zeit gesehen wurden, ob es Streit gab und …“

„Wir sind keine Anfänger, Theo“, unterbrach ihn Horst. Der freundliche Ausdruck seiner braunen Augen wechselte in kühle Distanziertheit.

„Entschuldige – das weiß ich doch.“ Theo hielt für Sekunden inne. „Damit du im Bilde bist“, sagte er dann, „ich kenne Krügers jetzige Ehefrau schon seit der Schulzeit. Aber nicht, dass du auf die Idee kommst, ich bin befangen. Es war lediglich eine lose Freundschaft – die Lüge ging ihm glatt über die Lippen. Wir sahen uns nur ab und zu – in den letzten Jahren gar nicht mehr. Umso eigenartiger war es, dass sie mich angerufen hat.“ Er runzelte die Stirn.

„Verstehe …“, murmelte Horst und warf einen Blick zum Fenster hinaus. „Die Tatortgruppe ist da … super, Helmut hat die Leitung. Dem entgeht nichts, das sag ich dir!“

„Ich kenn ihn flüchtig“, bemerkte Theo und begleitete Horst zum Tor, wo gerade die Mannschaft der Spurensicherung ausstieg.

„Servus, Helmut“, begrüßte Horst den Tatort-Gruppenchef. „Das ist“, er deutete mit dem Daumen auf Theo, „Staatsanwalt Doktor Baumann.“

„Wir kennen uns“, erklärte Helmut Wallner.

Theo bestätigte seine Aussage mit einem kurzen Nicken. „Ich brauche die Ergebnisse gestern.“

„Also wie üblich“, seufzte Helmut. „Die Auswertung von DNA-Spuren bekommen wir – wie Sie wissen – frühestens in einer Woche. Womit haben wir es zu tun?“

Horst klärte ihn auf, Theo ergänzte. „Wenn hier eine Leiche war oder irgendwo ist, finden wir Spuren“, kommentierte Helmut die Informationen. Nach einem Blick über das Gelände: „Verflucht großer Garten, wird seine Zeit dauern.“ Er pausierte, dann sagte er mit einem stöhnenden Atemzug „gehen wir es also an“ und nahm einen nicht gerade großen, aber offenbar schweren Metallkoffer aus dem Bus. Gefolgt von seinen Mitarbeitern betrat er schließlich das Innere der Villa, stieß einen überraschten Pfiff aus, brummte „So möchte ich auch wohnen“ und teilte seine Mitarbeiter ein. Wie üblich fingen sie an im Uhrzeigersinn die Spuren zu sichern – die sichersten Methode, um nichts zu übersehen.

Theo wusste, dass er sich jetzt in Geduld üben musste. Wie die Ameisen würden sie in jeden Winkel des Hauses kriechen, Fingerabdrücke penibel mit Silberpulver bepinseln und nichts, keine Tür, keine Türklinke, kein Glas, kein Messer, nichts was es in diesem Haus gab auslassen. Lichtfilter würden Mikrospuren zum Vorschein bringen, fluoreszierende Mittel eventuelle Blutspuren. Hautfetzen, Haare und kleinste Hinweise würden in Papiersäckchen verstaut werden, um DNA-Spuren zu sichern, kleinste Informationen würden fotografiert werden. Ein Hubschrauber würde in Kürze über dem Grundstück kreisen, aus verschiedenen Blickwinkeln fotografieren und mit Kaltlicht Fußspuren zutage bringen. Nichts, aber auch gar nichts würde ihnen verborgen bleiben – war Sabine hier ermordet worden, würde sich das nachweisen lassen, war ihre Leiche hier versteckt, würden sie sie finden, hatte man sie weggebracht, würden Schleif- und Fußspuren Hinweise ergeben.

Er konnte jetzt nur mehr warten, warten auf Ergebnisse, die er nicht vor einer Woche erhalten würde. „Ich gehe jetzt“, sagte er zu Horst, „ich würde euch hier nur stören. Auf dem Weg durch den Garten bemerkte er, wie ein silberner Mercedes vor dem Gartentor vorfuhr und stoppte. Lars Krüger stieg aus. Er schien mit einem Beamten, der vor dem Eingang postiert war, zu diskutieren. Mit festen Schritten ging Theo auf ihn zu.

„Ah, der Herr Staatsanwalt“, sagte Krüger in einem Ton, als würde er über ein ekelerregendes Insekt sprechen. „Was habe ich diesmal verbrochen?“

„Das wird sich noch herausstellen, Herr Doktor Krüger. Wo ist Ihre Frau?“

„Ist sie nicht im Haus? Eine Frechheit, hier auf mein Grundstück und in meine Villa einzudringen – ich werde mich an allerhöchster Stelle beschweren – oder haben Sie einen richterlichen Befehl?“

„Zu Ihrer ersten Frage“, antwortete Theo kühl, „Ihre Frau ist nicht im Haus, sie hat einen Notruf von ihrem Handy abgesetzt. Sie schrie ‚Hilfe, er wird mich umbringen‘ dann hörte man nur noch Schreie. Zu Ihrer zweiten Frage: Ein richterlicher Befehl ist nicht notwendig, wenn Gefahr in Verzug ist.“ Er wandte sich an Horst, der neben ihn getreten war. „Horst, walte deines Amtes.“

„Herr Doktor Krüger, ich verhafte Sie wegen des dringenden Verdachts, Ihre Frau Sabine ermordet zu haben. Alles was Sie ab jetzt sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Sie haben das Recht zu schweigen, Sie haben das Recht auf einen Anwalt.“ Horst winkte einen Polizisten zu sich heran. „Abführen.“

„Das werden Sie bereuen“, fauchte Krüger Theo an. „Ich werde Sie verklagen, ich werde …“ Einer der Polizisten legte ihm Handschellen an und bugsierte ihn nicht gerade sanft in das Polizeiauto.

„Ich nehme an, du willst bei der Vernehmung dabei sein“, meinte Horst mit einem schiefen Lächeln. „Ob wir ihn allerdings mehr als 48 Stunden festhalten können …“

„Das lass meine Sorge sein“, unterbrach ihn Theo. „Lass ihn vorerst einmal dunsten, ich komme morgen gegen 10 Uhr zu dir. Ist dir das recht?“

„Selbstverständlich, Herr Staatsanwalt!“

„Verscheißern kann ich mich selber“, brummte Theo, winkte und ging zu seinem Auto.

 

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